Peri Bacalari

Peri Bacaları – „Feenkamine“ in Kappadokien

 

Gestern Abend sagte Stefan „ich werde nichts zu Kappadokien schreiben – möchtest du das vielleicht?“. Selbstverständlich möchte ich das…

 

[Stef: Tatsächlich nämlich dachte ich mir, dass für Kappadokien die Bilder für sich sprechen dürfen. Was soll man sich hier wortreich in schwelgerische Bildsprache versteigen, wenn die Bilder ja da sind: 1000 fach sind sie da. Speicherplatz füllend! – und da es jetzt keine spannenden Episoden zu berichten gibt – gemeinsame Wanderungen geben spannungsbogentechnisch nicht allzuviel her – hätte ich hier auf den Textanteil des Blogs verzichtet und anstelle versucht aus der Masse der Bilder die herauszusuchen, die ein bisschen diese außergewöhnliche Landschaft wiedergeben. Gülnaz ist offenbar um ein paar Worte nicht verlegen…. Man darf gespannt sein]

 

 

Es ist etwas schräg, denn immerhin bin ich die, mit den türkischen Wurzeln. Dennoch – ich war noch nie in Kappadokien. Ich kannte die Geschichte drumherum und wusste, dass dieses Naturschauspiel es auf die Liste des UNESCO Welterbes geschafft hat. Aber aus irgendeinem Grund (den ich sehr gut kenne), war ich noch nie dort. Als Stefan vorschlug, dass wir uns das gemeinsam ansehen und als Startpunkt für den geplanten, gemeinsamen Streckenabschnitt ans Schwarze Meer festlegen, war ich Feuer und Flamme.

 

Die Landschaft hat mich verzaubert. Egal ob bei Sonnenaufgang, wenn die Heißluftballons steigen und aussehen, als ob sie organisch in diese Kulisse gehörten (auf eine etwas surreale Art und Weise), tagsüber auf den Erkundungstouren, wenn die Felsformationen immer wieder andere Formen und Farben bieten oder bei Sonnenuntergang, wenn die Wolken in lila und rot gehüllt, den letzten Gruß geben -  man wird einfach nicht müde, zu schauen und zu staunen.

 

 

[Stef: Hossa! letzter Gruß in lila! … der lieben Ehrlichkeit halber wollen wir aber nicht verschweigen, dass wir die Sonnenuntergänge eigentlich immer ums Arschablecken verpasst haben. Obwohl von der Dachterrasse unserer Bleibe der Blick nach Westen an sich ja schon Sonnenuntergangs-trächtig war. Aber dann waren Wolken, oder aber Frl. Meyenburg weilte unter der Dusche… Ich will mich aber gerne anschließen in Hinsicht auf die Ballons, die im ersten Morgenlicht, beladen mit Chinesen aus den Schluchten und Tälern um Göreme aufsteigen wie überdimensionierte Quallen. Einerseits tobt sich der Tourismus weitgehend ungeniert aus – und diese Ballone haben mit den phänomenalen Landschaften ja an sich nichts zu tun. Aber das ist eh so ein bisschen unwirkliche Landschaft – und die Ballone gehören schon fast dazu. Mehr zumindest als die 5 Chinarestaurants, die sich in dem Winz-Nest Göreme inzwischen festgesetzt haben… aber die chinesischen Touri-Agenturen haben das fest auf dem Programm und von 10 Besuchern kommen inzwischen 9 aus den reichen Metropolen unserer neuen Weltmacht.]

 

 

Ich bin keine Wissenschaftlerin und deshalb werde hier nun nicht wiederholen, was millionenfach nachzulesen ist – Entstehungsgeschichte und wissenschaftlich fundierte Hintergrunde sind leicht im www zu finden. Aber ich bin quasi Geschichtenerzählerin und deshalb möchte ich gerne die Legende der Peri Bacaları (türkisch für Feenkamine) erzählen:

 

 

[Nur kurz, und dann von mir aus Märchenstunde, … Vor einigen Millionen Jahren waren um das heutige Kappadokien verschiedene Vulkane aktiv. Der Hasan Dag und der Erciyes Dag spuckten Asche und Lava, die als bis zu 100 Meter dicke Tuffsteinschicht sedimentierten – darüber kamen andere Gesteine zu liegen und als vor ungefähr 100.000 Jahren die vulkanische Tätigkeit nachließ begannen Wind und Wasser ihr erodierendes Werk. Der rote Fluss, Kizilirmak, bahnte sich seinen Weg durch die Landschaft und formten so die Landschaft, wie wir sie heute kennen. Aber auch der Wind schmirgelte Staub und Sandpartikeln immer weiter entlang der Felsen und erschuf die sanften Löcher und Rundungen im Tuff. Das markanteste geologische Markenzeichen Kappadokiens sind vermutlich die Feenkamine, die stehen bleiben, wenn der umgebende Tuff wegerodiert – so sieht das aus als ob die kegel aus dem umgebenden Hängen herauswachsen – aber das Gegenteil ist richtig, denn der Hang wird langsam abrasiert. Dabei befindet sich zwischen den einzelnen Tuffsteinschichten eine härtere vulkanische Ablagerung. So entstehen dann die für die Region typischen “Zipfelmützenberge”. Die obere und härtere Lage erodiert wesentlich langsamer als die untere und weichere, und es bildet sich ein schützender Hut über den schlanken Türmen. Irgendwann einmal wird die Auflage für den Deckstein zu klein und er fällt herunter. Dies ist dann das schnelle Ende eines solchen Feenkamines. Innerhalb geologisch gesehen kürzester Zeit wird der schlanke Turm dann von Wind und Regen restlos abgetragen. In erdzeitgeschichtlichen Zeitdimensionen werden wir also gerade Zeuge eines sehr dynamischen Prozesses, in ein paar 100.000 Jahren ist das alles abgeschmolzen wie Eiswürfel im Wüstensand. Und jetzt das Märchen]

 

 

Vor langer Zeit trieben Riesen in Kappadokien ihr Unwesen. Die Menschen taten alles, damit die Riesen nicht zornig werden. Manchmal versammelten sich die armen, geplagten Menschen in den Felslöchern und beteten darum, dass die Riesen niemandem Schaden zufügen würden.
Die Riesen wurden aber dennoch ab und an wütend – so richtig wütend. Und wenn das passierte, bewarfen sie die Menschen mit Feuer und begleiteten dies durch erschreckendes und lautes Getöse.

 

Der Sultan des Feenlandes erfuhr vom Leid der Menschen und wollte ihnen helfen. Er rief alle Feen zusammen, so dass diese das Feuer mit Schnee und Eis bewerfen und so löschen konnten. Um ihre Macht beraubt, flüchteten die Riesen unter die Erde. Feen und Menschen freundeten sich an und lebten fortan nebeneinander (zu dieser Zeit müssen die Feen (Peri) wohl die Feenkamine bezogen haben).

 

Aber – wenn Menschen im Spiel sind, gibt es selten ein „happily ever after“ – so auch hier. Revan, ein gutaussehender jungen Menschen-Mann und Gülperi, die Feen-Tochter des Feen-Sultans verliebten sich eines Tages unsterblich ineinander. Die Menschen waren aber gegen diese Verbindung und begannen, die Feen zu bekämpfen. Die Feen wiederum, konnten das nicht ertragen. Um Schaden von den Menschen abzuhalten verwandelten sich die Feen auf Befehl des Sultans in Tauben. Gülperi, jetzt auch eine Taube (armes Ding),  besuchte jeden Tag Revan, nur um in seiner Nähe zu sein. Revan wiederum wartete sehnsüchtig auf diese Besuche – wenn er auch sehr traurig darüber war, dass sie nie ein glückliches Paar werden würden.

 

Seitdem gibt es das Taubental in Kappadokien.

 

 

[Was für eine schwachsinnige Geschichte: Wer aber türkische Geschichten kennt, wird sich bedanken, denn es geht schlimmer. Oft bekommen solche Erzählungen eine patriotische Note, und dann weinen Generäle, schlagen sich schmerzerfüllt an die Brust weil das Vaterland unter frevelhaften fremden Mächten darbt, singen Hymnen, und verkünden die Größe Allahs. Dann aber fährt ein Sturm, ein Gewitter, ein Hagelschauer dem bösen Feind in die Parade, die Fahne des Feindes liegt im Staub, der General trocknet seine Tränen, der Prophet hat‘s allen gezeigt und am Ende gibt es Köfte, Börek und Döner für alle.

 

Aber wars nicht so, dass die Tauben irgendwann auch dem Propheten den Arsch gerettet haben? Und deshalb im Islam die heilige Kuh geben? Gabs da nicht was? Weißt Du da noch was Gülnaz?]

 

 

[[Ha! Jawohl, das tue ich. Auch, wenn ich sonst eher wenig weiß über diese Geschichten. Der Legende nach, hat sich Mohammed auf der Flucht von Mekka nach Medina in einer Höhle versteckt. Tauben bauten sofort ein Nest davor, so dass die Verfolger dachten, dass niemand in der Höhle sein könne, weil das Nest unversehrt war. So retteten die Tauben Mohammeds Leben…aber um ehrlich zu sein, habe ich die Geschichte auch schon mit Spinnen und einem Spinnennetz gehört.]]

 

 

 

[Jedenfalls kann man in den weichen Tuffstein problemlos Löcher kratzen, und wenn man lange genug rumpickelt, bekommt man da Höhlen, Zimmer und ganze Wohnungen rausgekratzt – in der Tat gibt es da vertitable Kirchen, ausgemalt, mit Altar und Bögen und Kreuz-Gewölbe, das ganze Kirchenbauprogramm – aber eben alles quasi als Negativ – weil aus dem weichen Gestein geschabt. Komplette Städte, auf mehreren Ebenen wurden so geschaffen, Belüftungsschächte und Wasserversorgung inklusive…  und eben auch ewig viele Taubenhäuser, die schwer zugänglich angelegt sind, wenn man nicht fliegen kann. Sehr schön verziert, die Einfluglöcher sehen aus wie in den Stein gearbeitete Muster. Die Täler sind erfüllt von Tauben und ihrem Gegurre – was aber durchaus sehr schön ist. Grund für die Taubenzucht eventuell der Guano als Dünger für den mageren Sandboden oder weil man so eine Taube ja auch ganz gut auf einen Grill schmeißen kann. Tauben-Döner für alle]

 

Was soll man da groß beschreiben? Verwunschene Landschaft und trotz Tourismus sehr einsam, sobald man in dem Labyrinth aus Tälern verloren geht. Gerade blühten die Mandelbäume und Kirschen und Büsche, die ih nicht zuordnen kann, aber der Kontrast der farbigen Blüten zu den Schattierungen des Gesteins ist schon wirklich besonders schön gewesen

Halb erodierte Häuser oder Kirchen, schlafender Köter, Löcher für die besagten Tauben, Schildkröte - erbost weil sei für den Fototermin erstmal gewaschen wurde. ... das Innere einer Felsenkirche und das Innere unserer Schlafstatt mit 2 Rädern und Taschen

das Reisen zu zweit ist natürlich sehr schön  - hier illustriert an Pferdekarren, die es zum Glück noch gibt

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Kommentare: 2
  • #1

    Opa (Sonntag, 21 April 2019 11:07)

    Was für eine schöne Teamarbeit! Danke Gülnaz!
    und jetzt schöne Ostergrüße in die Kolchis (aus der griechischen Antike - Argonautensage, goldenes Vlies, Jason und Medea, , noch früher vielleicht Ursprung der Geschichte mit der Sintflut wg Durchbruch am Bosporus, viel viel später https://de.wikipedia.org/wiki/Kaiserreich_Trapezunt)
    Leider zeigt Meteoblue den Kern des Tiefdruckgebiets genau dort!
    Gute Fahrt

  • #2

    Quirin (Mittwoch, 24 April 2019 11:42)

    Hi Stef,
    sehr netter Dialog mit unübersehbarer rhetorischer Varianz. Was für ein tolles Eck! Nun kannst auch du mit Fug und Recht "mein Kappadokien" sagen.
    Welch ein Glück für Erdogan, dass zumindest den Chinesen die aktuelle Rechtslage in der Türkei nachvollziehbarerweise egal zu sein scheint.
    Habt ihr wirklich mit eurem Wasser die Schildkröte geschrubbt? War vielleicht ja gar nicht so schlecht für sie in der trockenen Jahreszeit...