Zwischensprint durch Griechenland

Albania to Athens, ein Zwischensprint

 

1.      28.02.2019         Sarande – Igoumenitsa (horizontal: 70km; vertikal:700m)

 

2.      01.03.2019         Igoumenitsa – Lygia Beach (horizontal: 63km; vertikal:820m)

 

3.      02.03.2019         Lygia – Preveza (horizontal: 35 (!)km; vertikal:400m)

 

4.      03.03.2019         Preveza  - Amphilochia (horizontal: 55km; vertikal:600m)

 

5.      04.03.2019         Amphilochia – Messaloghi (horizontal: 80km; vertikal:750m)

 

6.      05.03.2019         Messaloghi – Patras (horizontal: 50km; vertikal:550m)

 

7.      06.03.2019         Patras – Diakopto (horizontal: 70km; vertikal:500m)

 

8.      07.03.2019         Diakopto – Korinth (horizontal: 79km; vertikal:500m)

 

9.      08.03.2019         Korinth – Athen (horizontal: 83km; vertikal:560m)

 

 

Dieser Blogbeitrag mal anders –  es gab verhaltene Kritik an meiner „philosophischen“ Bloggerei, anhand derer die eigentliche Strecke nicht wirklich nachvollziehbar sei – was bestimmt richtig ist: Zumal ich natürlich immer weiß wo ich war, halte ich mich nicht lange damit auf die Eckdaten zu protokollieren.  Für Unbeteiligte vielleicht ein bisschen luftig – drum versuchsweise konkret.

 

Griechenland durchpflüge ich nun ohne zu verschnaufen und quasi im Zwischensprint-Modus, mit einem Ziel und einem Datum: Athen; 8. März! Was so grob um die 550km sind. Entsprechend gibt’s keine Pausentage und ich verbringe die Tage in klösterlich geregeltem Turnus:

 

Angelus:              Bereits vor 6 wache ich auf und blicke verschlafen aber schon entnervt auf die ewigen Einzelteile von Klamotten und Kabeln und Taschen, die in meiner aktuellen Herberge verstreut liegen. Während der Hahn kräht krieche ich aus dem Bett, mal erlöst, mal bedauernd, und mit der Zahnbürste im Mund beginne ich der Entropie meinen Willen aufzuzwingen. Zu meinem Erstaunen aber ist dann doch innerhalb einer halben Stunde das Reisegepäck geschnürt, die Batterien geladen und die Tour des Tages auf das Handtelefon geladen.

 

Laudes und Frühstück: Schon freut mich der nahende Aufbruch (Laudes) und was ich am Vortag gesehen habe ist gut, was ich versäumt und ausgelassen habe bleibt versäumt und ausgelassen. Das Frühstück richtet sich an den Gegebenheiten vor Ort und changiert zwischen feudal (selten) und frugal (häufiger).  Zum Beispiel Brot vom Vortag mit Feta und Tomate, eine Banane und irgendetwas Koffeinöses mit irgendetwas Milchhaftem (Quark mit löslichem Kaffee und Zucker zu verrühren, erfüllt zwar diese Bedingungen, markiert aber bislang das untere Ende des Zumutbaren). Es folgt Aufsatteln und Losradeln – erste Schicht des Tagesgeschäfts.

 

Terz (zwischen 10 und 11): Der gesamte Balkan ist überzogen mit einem feinmaschigen Netz von Bäckereien, die neben Weißbrot verschiedene Blätterteigvarianten des aus der Türkei bekannten Börek anbieten. Nach Abstrampelung eines ersten messbaren Streckenabschnitts, beginne ich in den Dörfern nach Bäckereien und Cafe-Bars Ausschau zu halten. Zumal ich nicht zweimal halte, muss es beim ersten Mal schon passen: Tisch in der Sonne, der Kaffee nicht im Papp- oder Plastikbecher, keine rauchenden Greise, ansprechende Auslage hinter den Vitrinen. Im Idealfall gibt’s einen Kaffee, viel Wasser und eine Papiertüte mit Bekanntem (Blätterteig, Feta) und Experimentellem (cremig, fettig, bunt). Selten, dass Experimentelles zu Bekanntem wird.

 

 

 

Sext: Mittags – schweigend eingenommen. Bin ich zwischen 9 und 10 losgefahren habe ich mittags meistens bereits mehr als 30km abgeradelt. 30 Minuten nach aufsitzen stellt sich ein fieser Druckschmerz im Sattelbereich ein – Nach 1h hat der Gluteus den Sattel hingenommen. Mittags gibt’s Wasser. Hunger hab ich um die Uhrzeit selten – oft bin ich so im Pedalieren, dass ich gar nicht aufhören mag und mir zum Ziel setze die nächste Pause erst dann zu machen, wenn das Tagesziel greifbar wird: die letzten Anstiege überwunden und/oder nur noch 20 km zu radeln sind. Oder aber es gibt einen Platz, den ich einmalig schön finde: dann parke ich mein Rad und esse, was ich in den Seitentaschen so finde: fettiges Börek oder Variationen über das Thema Weißbrot, Käse, Gurke und Tomaten.

 

Ankunft und Waschung. Die letzten Kilometer ziehen sich gerne aber irgendwann sagt das Navi: „Hier!“ – Selten vor 2, selten nach 4 Uhr. Das „Hier“ bedeutet tatsächlich wenig: Die AirB&B Fritzen geben gerne mal eine attraktive innerdörfliche Adresse an, die man ansteuert um dann vergeblich die Herberge zu suchen. Die aber ist stattdessen unattraktiv peripher und fernab jeglichen städtischen Treibens – hier ist normalerweise Hundeparadies und das kakophone Gekläffe der Köter begleitet einen durch die Nacht. Oder die Hausnummern sind nicht zu finden, oder was weiß ich – Ankunft jedenfalls ist nicht gleichbedeutend mit Zimmer, Dusche, Erfrischungsgetränk. Bis ich mit meinen ganzen Taschen und Habseligkeiten auf dem Zimmer bin, dauert es gerne mal ne Stunde. Noch ne Stunde bis das Wasser gnädigst warm ist. Derweil schon mal die Klamotten auswaschen und aufhängen, die Akkus laden, den Rechner hochfahren und Google nach den herausragenden Sehenswürdigkeiten des angefahrenen Gestades befragen. Nach dem Duschen nichts wie raus, ein bisschen Licht noch für die Bilder, die ich machen will, ein bisschen Sonne, weil es sonst doch schnell wieder ziemlich kalt werden kann. Im Supermarkt für den Abend und den nächsten Tag einkaufen – schon ist die Sonne weg, mal atemberaubend mit kolossaler Kulisse mal ist es plötzlich erst grau, dann dunkel und kalt.  

 

Vesper und Rekreation: Kochen gerne, wenn die Unterkunft so etwas wie eine Kochplatte bereitstellt. Abendessen ist alleine in einem Restaurant nicht so spannend und selten hat sich in einem der um diese Jahreszeit noch leeren Gostilnas, Konobas, Tabernas ein nettes Gespräch mit den unterbeschäftigten Wirten oder Kellnern entsponnen. So esse ich was vom Tag so übrig blieb, spüle es mit einem Bier runter und plane dabei die Tour für den folgenden Tag – inzwischen ist es oft so kalt, dass ich mit dem Schlafsack auf den Beinen und in der Daunenjacke verkrochen vor dem Rechner kauere, ein bisschen an meinen Blogeinträgen weiter schreibe, ein paar Bilder auf Instagram hochlade, Bilder von der Kamera auf den Rechner schiebe, etc.

 

Komplet: halb zum Aufwärmen, halb weil die Müdigkeit sich von den Beinen her ausbreitet krieche ich ins Bett und lange dauert es nicht, bis ich einschlafe. Ende eines weiteren Tages in mönchischer Routine. An dieser Tagesroutine vorbei ziehen quasi wechselnde Landschaften und all die tollen Dinge, die anzusehen ich das große Glück habe: Die Berge und das Meer, Brücken, Altstädte, Burgen, Mauern, Häfen, Landesgrenzen. In Griechenland habe ich bis Athen keine Pausentag eingelegt und so verschwimmen die Eindrücke leicht:

 

 

Igoumenitsa: Raus aus Albanien und mein erster Tag in Griechenland, gezeltet am Strand, Cappuccini kosten wieder 2€ und die Straßen sind so sauber.

 

 

Vrachos: Schöner Strand in großer Einsamkeit: das erste Mal im Meer gebadet – und Fliegen ging auch nicht, … aber das hatten wir ja schon.

 

 

Preveza: Auf dem Weg komplett zufällig eine verlassene Stadt entdeckt – Nikopolis mit Mauern und verfallenem Stadion und Amphitheater. Preveza muss man nicht gesehen haben, aber die Griechen trinken gerne Kaffee und in den Straßenbars ist gehörig Verkehr. Der Frühling kommt und die Balkankälte lässt nach, auch wenn die Sonne untergeht

 

 

Amfilochia: Durch den Tunnel transportiert, auf neuen Straßen umhergeirrt, die das Navi nicht kannte, an fiesen Hunden vorbei und durch das verschlafene Vonitsa nach Amphilochia: Auch Amphilochia muss man nicht gesehen haben -aber ich übernachte tasächlich als einziger Gast im Hotel Oskar und mein Rad darf im barock möblierten Saloon die Nacht verbringen – am nächsten Tag hab ich einen Platten. Quasi Reifen-Verweichlichung im Plüsch-Inferno. Dafür ist das Frühstück für 4 Euro mindestens royal. Der einzige Gast des Hauses wird gepäppelt.

 

 

Mesaloghi: Ein langer Tag – zunächst durch land-wirtschaftlich, dann anders-wirtschaftlich genützte und verschandelte Landschaften, bis am Ende einer langen Etappe Berge auftauchen und eine gewaltige Schlucht: Durch die will ich durch, bitte mach, dass mein Weg durch diese Schlucht…  Und dann führt der Weg zum Glück auch wirklich durch die super Schlucht und entschädigt für die vielen Kilometer und einen Tag mit wenigen erbauenden Blicken.  Es geht hoch und die Straße windet sich zwischen senkrecht aufragenden Felswänden. Die Abfahrt ist rasant, die letzten Kilometer nach Mesologhi führen durch Schwemmland. Die Stadt ist so gesichtslos, dass ich mir die obligatorische Tour spare. Um die Unterkunft zu finden bin ich die Hauptstraße einmal rauf und runter geradelt – hinter der angrenzenden Häuserzeile tut sich städtebauliches Elend auf, …. Irgendwo führt ein Steg in das Marschland und Vögel sollen hier zu beobachten sein.  Weißt Du was, Mesologhi? … das Problem mit den Städten ist, dass es Nester sind, allesamt. Mesologhi muss ich nicht kennenlernen. Ich schlafe ein, ohne auch nur etwas gegessen zu haben. Die Erinnerung an die Schlucht reicht für den Tag trotzdem dick.

 

 

Patras: Um auf die Peloponnes zu kommen kann man eine großartige Brücke Anterrio nach Rio überqueren. Sie überspannt den westlichen Eingang zum Golf von Korinth. Die Meerenge wurde schon zu Zeiten der Ottomanen als Befestigung ausgebaut und dann zum Gegenstand steten Zwists zwischen unterschiedlichen Interessengruppen. Der Genueser Andrea Doria hielt die Befestigung für wenige Jahre, die Venezianer natürlich auch. Patras liegt an sich nicht auf dem Weg, aber ich hatte Lust auf Stadt nach all den langweiligen Nestern und 30 km Umweg erschienen akzeptabel. Auf dem Weg nach Patras kriechen plötzlich wie Würmer aus dem Boden zwei Fahrradungetüme – und da sind sie: die ersten beiden Radfernreisenden, die ich treffe. Es sind zwei Japaner, die ich auf dem Weg nach Athen noch öfters treffen werde. Kaiichi, 35 Jahre reist seit 2011!!!! Mit dem Rad um die Welt. Was der zu erzählen hat ist schon gewaltig. Seine Freundin Shiori ist seit 2-einhalb Jahren mit dabei. Sie sind auf dem Weg nach Korinth – ich werde sie später einholen.

 

In Patras ist es super – eine Stadt so hässlich, wie die Pocken, aber eng und verwinkelt und so voller Leben und gerade ist Karneval. Eine Treppe verbindet die Altstadt (die nicht alt ist) mit der Neustadt (die ebenso wenig neu ist). Von hier aus sehe ich zu wie die Sonne abends ein weiches Licht und zarte goldene Strahlen in den wahnsinnigen Smog über der Stadt webt. Je dreckiger die Luft desto dramatischer die Abendstimmung. Die Fähren aus Italien laufen hier ein, sehr kapitale Boote sind das.

 

 

Diakopto: Der Tag beginnt so schön – ich komm nochmal unter der sagenhaften Brücke durch, sitze in der Sonne und freu mich – aber irgendwann kippt das und Tag und Abend werden die beschissensten meiner Reise. So ein Dreckstag, …. Ich hab so gar keine Lust darüber zu schrieben. Gnädiger Vorhang des Vergessens davor ziehen und woanders hinsehen.

 

 

Korinth: Der Folgetag ist ein Geschenk. Rückenwind bläst mich quasi aus dem Kackdorf Diakopto und begleitet mich die nächsten 40km. Die Straße führt der Küste entlang – die Straßen sind unbefahren, die Dörfer ausgestorben – die Blicke über den Golf auf das griechisch Festland mit den Bergen immer wieder aufs Neue einzigartig. Dann treffe ich meine japanischen Radlkollegen wieder, die am Strand kampiert haben. Zur Begrüßung bekomme ich Toast mit Marmeladenjoghurt und ich revangiere mich mit Cappuccino in einer Strandbar. Nach Korinth fahre ich alleine weiter, weil ich schneller bin und unbedingt den Apollotempel und den Kanal durch den Isthmus sehen will. Der Apollotempel sind maximal 9 Säulen, das Areal großräumig abgesperrt (das soll es sein? Echt jetzt?) – ich bin natürlich zu spät, aber ein gnädiger Wachmann gewährt mir 5 Minuten zum fotografieren. Und wenn man dann davor steht ist es doch toll, so groß und monolithisch und alt. Super Licht und sagenhafter blauer Himmel: dahinter thront ein Tafelberg mit Burg, in der ganzen Gegend gibt es zig Ausgrabungsstätten – manche sind zugänglich und das sind dann die schönsten Momente: Mit dem Rad über Steinplatten rollen auf denen vor 3000 Jahren schon Menschen entlang gegangen sind, auf dem Rücken liegen, Mauerreste ansehen und dem Insekten-Gesumme zuhören. Der Kanal über den Isthmus, einer schmalen Landbrücke, die das Festland mit der Peloponnes verbindet, liegt 10 km in der anderen Richtung. Als ich den auch noch besichtigt habe bin ich über 120 km gefahren. Aber super cool: die Brücke wird nicht hochgezogen, wenn ein Schiff kommt, sondern versenkt. Ich hoffe ich kann das Video anheften. Mit meinen japanischen Freunden treffe ich mich auf Bier und Pizza in einem billigen Restaurant, es gibt so viel zu erzählen und für mich vor allem so viel zu hören.

 

 

Athen: Der Weg nach Athen beginnt industriell und wird super schön: Eine Radlerstrecke, die den Spitznamen Kakjascala, übersetzt so etwa kaputte Leiter, hat weil es ständig rauf und runter geht. Ist anstrengend, aber die Straße windet sich schön der Küste entlang, mal ganz nah am Meer, mal aus der Höhe sieht man immer wieder kleine Buchten, steile Felswände, Hänge mit Pinien und blühendem Ginster. Mit der Fähre auf die Insel Salamina – über die Insel und mit einer zweiten Fähre nach Perema, neben Piräus ein weiterer Hafen und von da aus in den Irrsinn des Athener Straßenverkehrs. 8. März, 15:00 Uhr. Athen! Vermutlich mehr als 550 km – aber egal wieviel: Geschafft. Jetzt 4 Tage Athen. Alles was ich an Kultur und Geschichte habe liegen lassen, gibt’s jetzt als Druckbetankung. Zunächst aber bin ich vor allem mal froh, dass ich vom Sattel darf.

 

 

 

Bilder vom Weg nach Patras; so vielfältig: Maritim, voralpin, Flüsschen, Berge; Meer und Buchten. Und auch hier: Die Müll-Matraze!

Patras ist zwar nicht schön aber quirrlig und von einer Treppe lassen sich super Kitsch Photos machen

sehr geile Brücke von Anterrio nach Rio. Darunter die Befestigungsanlagen.

Von Patras nach Korinth: Rückenwind Radlerei, Zeltplatz der japanischen Radfernreisegruppe, der Apollo Tempel, bzw was davon noch übrig ist. Troll auf und vor alten Steinen. Auf dem Weg nach Athen endlich wieder ml eine Fähre und dann taucht molochig Piräus auf.

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