Nachreichungen
Im ersten Morgenlicht nach Brestova
Allmorgendlich mein tägliches Chaos in die diversen Stoffbeutel und Fahrradtaschen verstauen, allabendlich die Bemühung mit einem Minimum an Chaos den Abend zu beschließen: Aber dann nach dem Radeln: nix wie unter die Dusche und in straßentaugliche(re) Hosen, die Elektronik aufladen; das Essen, der Waschbeutel, Computer, Kamera, GPS und Ladegeräte: alles wird aus der gut-durchdachte Verstauung gerupft und liegt dann verstreut zwischen nassen Handtüchern, den ausgewaschenen Radlklamotten…. Ich hasse das sehr, aber es hilft nix. Und wenn ich noch im verbleibenden Tageslicht die Gegend ansehen will, habe ich nicht beliebig viel Zeit – und deshalb: Jeden Morgen muss ich meine gesamte Habe zusammensuchen und in die 4 Taschen verstauen. Vom Entschluss aus dem über Nacht gemütlich gewordenen Bett zu rollen über die ungemütlich bleibende Packroutine bis zum fertig aufgesattelten Rad vergeht immer eine Stunde. Und dann wars trotzdem noch vor 8 als ich in Plomin Luka aus dem Haus geschlichen bin, Fisch- und Hundegeruch hinter mir lassend. Und in einem von Morgenluft und Sonnenschein milde gestimmten Gefühl von weltumspannender Liebe und Vergebung verzichte ich schulterzuckend auf die alttestamentliche Abstrafung des touristischen Sündenfalls, - sollen sie weiterleben.
Die Kilometer nach Brestova sind steil und die Straße klettert am Hang entlang, aber dann öffnet sich der Blick, das Meer liegt unter und Cres vor mir, der Tag ist noch ganz frisch und ich darf schon wieder nach Brestova runter rollen; das Ticket kostet für 15 Kuna, für das Rad auch. – 4 Euro für den Hupfer nach Cres. Der Wind hat deutlich zugelegt und die Wellen zerlegt es krachend am kleinen Pier, die Fähre macht fest – 10 Minuten später stampft das Boot Richtung Porozina.
Kontrollverlust kurz vor Merag
Um am Abend in Lopar auf Rab anzukommen sind 3 Fähren zu erreichen: Eine erste auf die Insel Cres, eine zweite auf Krk und eine Dritte nach Rab – der letzte Fährhafen liegt vor dem Städtchen Lopar. An sich ist der Tag wunderbar entzerrt: Schaffe ich eine frühe Fähre auf Cres habe ich zweieinhalb Stunden um die 23 km nach Merag zu radeln. Das entspricht einem Schnitt von nichtmal 10km/h – und erscheint sehr machbar. Aber es liegt ein engagierter Anstieg zwischen den beiden Anlegern, Cres liegt wie ein langer Rücken im Wasser und der Sattel auf 450 Meter. 450 Meter hört sich jetzt nicht so an wie die unbezwingbare Eiger-Nordwand – aber wenn knapp 40kg talwärts ziehen wie ein schlecht erzogener Hund und der Wind am Radl rupft, wird man großzügig mit sich selbst, wenn der Blick auf den Tacho gemittelte Geschwindigkeiten im Bereich kleiner 7km/h offenbart. Im Sattel der Bergstrecke bläst der Wind wie im Comic und ich lehn mich gegen den Sturm und fühl mich wie Sven Hannawald. Vor Jahren waren wir hier mit den Kindern und ich erinnere mich an die Zwackis, wie sie mit zusammengekniffenen Augen im Wind standen und die Hosen um ihre Kinderhaxen gebeutelt sind. Ab jetzt geht es bergab, doch der Wind ist zu stark um es einfach laufen zu lassen – Im Windschatten der Bäume beschleunigt das Rad - aber dann trifft die Bora hinter der nächsten Kurve so unvermittelt und mit solch einer Wucht, dass ich schnell meine Geschwindigkeit anpasse – sehr viel schneller als bergauf bin ich bergab nun auch nicht mehr. Und weil ich ständig fotografieren muss vergeht die Zeit – noch ne Stunde habe ich, noch 12 km sind zu fahren – easy, … dann noch 35 Minuten – aber es sind nur noch 7km. Oooops – und es geht nochmal so richtig bergauf – 150 Höhenmeter, jetzt also doch das verhasste Fahren gegen die Zeit.
War ich als Kind eigentlich jähzornig? Hab ich komplette Kontrollverluste hingelegt und mich schreiend und mit den Fäusten auf den Boden hämmernd und dem Küchentisch gewälzt, wie mir – sagen wir
das Mittagessen nicht geschmeckt hat?
Das Elend beginnt, als ich in einer Abfahrt achtlos an dem richtigen Abzweiger vorbeischieße – bis ich es geschnallt habe, sind 500 Meter rasant eine Rampe runter gerast – noch 16 Minuten und mir rinnt der Schweiß in die Augen als ich fluchend die sinnlosen Höhenmeter wieder heraufhechel. Abzweigung genommen – weiter geht’s bergauf – jetzt einfach den Blick auf den Boden heften, Hirn ausschalten und die Frequenz weiter treten, mühselig wurme ich die Serpentinen im Kriechgang - … und dann: Der erlösende Abzweiger, von dem es aus es nun in rasendem Tempo Richtung Fähranleger gehen kann, es sind noch 8 Minuten aber wenn jetzt nichts dazwischen kommt geht es sich aus.
Kommt es aber:
In Form von wikingerschädelgroßen Felsbrocken auf einem schlammigen Wanderweg, der sich in Haggrid-mässigen Treppenstufen endlos Richtung Tal windet. Wenn ich es hier laufen lasse, reißen nach 10 Metern die Satteltaschen vom Rad, ohne die Füsse am Boden, bekomme ich das blöde Rad eh nicht auf Kurs. Links geht es über einen gemauerten Absatz in irgendein feindseliges Unterholz. Wenn ich jetzt umdrehe muss ich bestimmt 50 Höhenmeter das Rad - diesen unhandlichen Scheissklotz – den Golgatha-Höllen-Kackweg raufwuchten. Wenn ich hier weiter vor mich hinzuckel kann ich mich jetzt auch gemütlich hinsetzen – nie im Leben geht sich das noch aus. Und es erfasst mich ein Zorn, der mich selbst überrascht. Wie kommt diese hirnverbrannte App – Komoot (Du Niedrigste unter den Apps) - auf die absurde Idee, dass hier irgendjemand mit einem Rad fahren könnte – nur mit ausgeprägter Todesssehnsucht fährst Du hier, und auch das nur wenn Dein Rad eine Symphonie aus Federungen ist, mit einer Bremsanlage für Schwerlasttransporter ausgestattet und vor allem ohne Gepäck. Es ist sinnlos ein Telefon anzuschreien… Ich tu es trotzdem. Diese lepröse Todeskotze von Scheißapp - Du Schweineelend von Telefon!
Und dann wird der Pfad doch noch fahrbar, plötzlich geht es – mit einem gangbaren Kompromiss aus Restsicherheit und vertretbarem Risiko rausche ich auf Betonplatten dem Meer entgegen. Es sind ja nur noch 80 Höhenmeter und ich hab noch 3 Minuten. Dann sehe ich den Anleger und das Schiff – tatsächlich, da liegt es, weiß wie Unschuld im adriatischen Blau, die Schlange an Autos, die sich in den Bauch schieben - Waldstück, Schotterstück, ein blödes Gatter für irgendwelche blöden Schafe, … aus dem singletrail wird nun sogar noch eine veritable Strasse mit Traum-Asphalt und ich fliege Richtung Pier. Als ich ankomme hat das Boot bereits abgelegt und der Bug dreht Richtung Krk, die Schaumkrönchen fliegen auf den Anleger und der Wind kühlt angenehm mein brennendes Gesicht. Nicht geschafft! Um - was weiß ich – 3 Minuten. Aber was für ein Aufstand!
In 2 Stunden kommt eine letzte Fähre für den Tag – aber selbst damit schaffe ich den Transfer nach Lopar auf Rab – die Fähre fährt ja erst am Abend. Stellt sich also die berechtigte Frage, warum ich mich so aufrege…und ich werde da an mir arbeiten müssen. Weil es eben eh nicht so läuft, wie man sich das so vorstellt und es dann eh ganz anders kommt als man denkt.
A night on the boat
Mit der 3. Fähre des Tages ging es dann unaufgeregt nach Valbiska auf Krk und trotz der verpassten Passage blieben 3h zum Totschlagen auf Krk und in der Weltmetropole Vlbiska – Pier, Tankstelle, Bistro und eine Straße ins Inselinnere. Dem kroatischen Gemüt - so meine Befürchtung – gefällt der gefühlvolle Schlager südlich-sinnlicher Ausprägung: Feuchtäugig, schmelzstimmlich und herzensinnbrünstig wird hier der abgefeimteste Gewaltverbrecher gefühlig und singt mit Verve und schambefreit die unsäglichsten Schnulzen. So auch im Bistro Valbiska – und nach deutlich weniger als 3h überlegt man sich, ob man den Strudel, den man aus der Kühlvitrine bestellt hat, nicht doch lieber in den Gehörgang gestopft hätte statt in den Hals….
Die Nacht senkt sich über Valbiska und in wenigen Minuten sollte das Boot nach Lopar einlaufen. Die wenigen Gäste packen ihre Siebensachen, auch ich zahle und freue mich den musischen Hades zu verlassen – mit dem Schiff ins schwarze Meer hinaus und in den knatternden Wind zu fahren. Saukalt draussen, aber behaglich drinnen – und in Lopar sind es nur noch ein paar hundert Meter zu meiner Herberge für den Abend. Dann stürmt ein Baum von Kroaten in das Bistro und verkündet auf kroatisch was auch immer. Und dann auch mir – “no go tonight to Lopar – to strong Bora”
Jetzt echt – oder? Das fällt euch jetzt ein? Und wo penn ich jetzt? Hallo? Fuck… was für ein Scheiß
Aber natürlich gibt es da nix zu diskutieren – die fahren jetzt nicht ihr 50 Laster Fährschiff durch die Sturmnacht, weil da so ein versprengter Radler nicht weiß wo er pennen soll. Aber weil jetzt eh nix mehr passiert, kann ich auch ein Bier trinken. Dann schlaf ich halt im Schlafsack irgendwo in einem windgeschützen Winkel. Später kommt überraschend der Kapitän, begleitet von seinem baumlangen Maat – und weil ich meinen Rechner ausgepackt habe, schauen wir uns gemeinsam die Wetterprognosen für den nächsten Tag auf „WINDY“ an – so schlimm schaut es nicht aus, finde ich, aber er zeigt mir die Windspitzen auf der Route – bis zu 65 Knoten! Das ist echt schwerer Sturm.
Ob ich nicht auf dem Schiff schlafen mag, fragt er mich. Er kann mir den Salon aufsperren und ich kann auf den Sitzen schlafen – es gibt Bänke und ein paar Decken hat er auch. Was für ein super netter Kerl. Spricht Englisch und lacht viel – erklärt mir, dass ich auch nicht über das Festland nach Süden komme: Die Küstenstraßen sind alle gesperrt – vor einer Woche wurden Windspitzen von über 180km/h gemessen – Bora ist echt ein Ereignis. Spielt mit dem Programm und wir ratschen ein bisschen über Wetter und das Reisen und unterwegs sein - … dann muss er los um sein Boot umparken – um halb 10 soll ich auf den rechten Pier kommen und auf die Brücke, dann zeigt er mir wo ich schlafen kann.
Und so verbringe ich die Nacht auf meiner Isomatte und im Schlafsack, der Sturm pfeift ums Schiff aber vertäut bewegt sich nix – es ächzt zwar ein bisschen nautisch aber gefühlsmäßig ist das eher wie in der S-Bahn schlafen. Aber wie geil, oder? Das ganze Riesenschiff. Ich schlaf nicht gut, die Lichter lassen sich nicht ausschalten, aber das ist jetzt auch wurscht.
Am nächsten Morgen trink ich einen schnellen Kaffee im Bistro Valbiska und die Wirtin, obligate Kippe im Mundwinkel, grüßt mich wie einen alten Freund. Die Schlager erschallen auch schon am frühen Morgen – um 7:30 taucht der baumlange Maat auf und verkündet das baldige Auslaufen, zurück aufs Boot und dann schieben wir uns raus auf´s Meer; Mein Rad, 2 Autos, 5 Passagiere. Ich darf auf die Brücke und mach ein paar Photos, der 1st Officer lädt mich auf einen Kaffee ein und auf dem offenen Deck kann ich jetzt mal erleben wie sich Orkan anfühlt. Die Überfahrt dauert 3h statt der geplanten 1h30min, auch im Windschatten der Inseln kommt das Boot kaum gegen den Sturm an. Halb 11 sind wir in Lopar. Es kommt anders als geplant, aber irgendwie geht es doch gut. Und besser als erhofft. Wie geil.
Als ich in Lopar vom Schiff rolle bin ich spät dran – ich muss die 25km die Insel Rab runter – dann aufs Festland – nochmal 20km und zurück auf die Insel Pag – und dort irgendwas zum Pennen suchen. Ich fahr vom Pier und dann fällt mit ein, dass ich mich nicht mal von meinem super Kapitän verabschiedet habe. Und so halte ich nochmal an, das Boot liegt im Hafenbecken, auf der Brücke erahne ich das weiße Hemd und pfeife auch zwei Fingern und winke. Ob er mich sieht?
Und dann hupt das Horn der Fähre – aber wie! Was für ein Sound! Das hört man über die halbe Insel! Und ich fühl mich wie getauft. Thank you Captain.
Und jetzt nix wie los.
Das Schweigen der Lämmer (Roadkill 1)
Rab ist zugebaut, die Insel der Deutschen – auch wenn die Straße an der Küste entlang führt, sieht man selten das Meer, aber es gibt keine Hütte, die nicht als „sobe“, also Unterkunft, vermietet werden würde. Die Küste ist malerisch, die nächste Insel ist nie weit und das Meer dazwischen liegt ruhig, türkis und ein paar Bötchen dümpeln. Zwischen der Strasse und dem Strand liegen die Hotels und Appartements: Marija, Marina, Ariane, Svetlana, … - dazwischen Skuriles: Hotel „Mutti“, Familienhotel „Taboo“ oder der „Berliner Hof“. Viel schöner wird es sobald die Straße ins Inselinnere führt: Steinmäuerchen mit Schafen, das Frühjahr lässt noch auf sich warten und die Schafe äsen an gelben Grasresten. Hinter einer Straßenbiegung wähne ich eine Schafschur – 3 kleine wollige Kugeln. Aber der Koloss an Kerl, der breitbeinig über den Wollkugeln steht geht grob mit den Tieren um – die bluten, und ich denk mir noch, ganz schön viel Blut – aber wo ist die Wolle? Aber hier wird natürlich nicht geschoren, sondern geschlachtet. 2 Lämmer zucken und das Blut pumpt rhythmisch aus dem Hals auf die Steinstufen - das dritte Lamm wird an den zusammengezurrten Beinen zwischen die beiden ausblutenden Viechern platziert, das Messer schneidet in den Hals wie in Butter, der Typ macht das mit einer Selbstverständlichkeit, als hole er eine Dose Schältomaten aus dem Regal - das Blut spritzt ein bisschen, das Lamm zuckt ein bisschen – 10 Meter weiter werden die andere Schafe hysterisch und machen ein Geschrei und rennen rum wie wahnsinnig. So klein sind die Lämmer, keine Stunde vorher hab ich eine andere Herde hinter einer Steinmäuerchen fotografiert. Muss man wirklich Lämmer essen? Ich verschieb meine Begegnung mit der Balkanplatte nochmal um mindestens ein Jahr
Schaise auf beide Seite von Chänden
Auf der Straße durch eines der viele kleinen Dörfer grüßt mich ein Mann und fragt warum ich ihn auf Englisch grüße – ob ich Deutscher sei? „Deutschlanddeutschlandüberalles?“ „Äh… nein“?! – Er
hätte in Deutschland gelebt – Minga! Ob ich ein Bier mag? „Bisschen früh – oder? – es ist grad mal 10, …. Wie was??? Zu früh? ich sei doch aus München, Minga, sagt er – ganz Bajuware? „Was bist
Du für einer? Trinkst Du Milch zum Frühstück?“ fragt er und lacht – zahnlos!
Hier sei alles Scheisse – Schaise, sagt er: mit weichem S – er zum Beispiel warte hier auf die Müllabfuhr – aber, natürlich: kommt nicht – wie alles in dem Land – man wartet und dann kommt es
nicht!
Rad fahren will er auch nicht mehr – kürzlich sei er vom Rad gefallen – um ein Haar gestorben. Er hat es direkt weggeschmissen, das Schaise-Fahrrad. Er ist 72 Jahre – er muss nicht mehr Rad fahren.
In Deutschland ist es auch Schaise: Als er ein Holzbrett in den Papiercontainer geschmissen hat, wurde er von einem Schais-Nachbarn verpfiffen – 30 Euro Strafe. Auch Schaise. Nach Deutschland fährt er nicht mehr!
„Das ist wie Schaise auf beide Seite von Chänden“ – sagt er, hebt resigniert die Arme gen Himmel und geht. Zu seiner Mülltonne und sucht sich den nächsten Gesprächspartner. Und lässt mich zurück mit der Frage in welchem sozio-kulturellen Verhalten diese Redewendung verwurzelt ist. Mit dieser Frage im Kopf fahre ich weiter. Was muss man anstellen um Schaise auf beide Seiten von Chänden zu kriegen?
Rab – Pag:
Nach 20 – 30km ist man über Rab nach Süden geradelt und folgt den Schildern Richtung Trajekt – der Fähre. Die Insel ist karg geworden am südlichen Ende, ein paar langgezogenen Serpentinen führen zum Anleger, ein paar Autos und zwei Laster - das Boot fährt 20 Minuten aufs Festland und dort führt die Straße auf ärgerliche 400 Meter und es ist alles: schlimme Bora, die fast immer von vorne kommt wenn es am steilste ist. Schlimme Steigung, die nach der frag nicht wievielsten Kehre immer noch ein Stückchen steiler scheint. 20km fahre ich an der Steilküste entlang, bewundere das Blau und vielen Lichteffekte, die vorgelagerten Inseln mit ihren imposanten Erhebungen…. Dann geht’s ebenso abrupt wieder auf das Meeresniveau und eine letzte Fähre nimmt mich nach Pag: Hier hab ich keine Unterkunft gebucht – ich hatte keine Lust auf Novalja – fand das alles zu teuer und zu wenig verlockend. Ich werde irgendwo draußen schlafen müssen und freu mich drauf. Ich bieg von einer zugigen Hauptstraße nach Süden ab in eine Ortschaft, Gajak, die schöne Badestrände verspricht – irgendwo wird ich mich da schon in meinen Schlafsack rollen können: In einer Bar versorge ich mich mit Chips, Bier und sauren Gurken, rolle weiter durch die vereinsamte Sommertouristen-Anlage, mit Hunderten von leerstehenden Reihenhäuser und Appartments, Friserski Salon: geschlossen, Pekara: geschlossen, Fleischer, Restaurant, Boutique, Getränkemarkt, Gemüsedantler - alles hat dicht gemacht – eine Stadt, durch die nachts die Zombies ziehen. Die wenigen Besucher der Bar sehen schon auch ein bisschen untot aus.
In einem ausgestorbenen Strand-Restaurant, das im Sommer vermutlich ein Publikumsmagnet ist – Pizzaofen, Schweine -Toaster, Maxi-Grill, Bar so groß wie ein Laufsteg – eine Wasserrutsche für die Bälger und Blick aufs Meer, sowie eine überdachte Terrasse, eine Wendeltreppe aufs Dach ebendieser Terrasse - verorte ich den idealen Schlafplatz. Und während ich meine Isomazze das erste Mal ausrolle, den Schlafsack aufschüttel und beides in den Biwaksack stopfe geht die Sonne mittig in dem vor mir liegenden Meer unter – aber so richtig mit Kitschfarbspektakel. In der Nacht pfeift der Wind über die Insel – die ewige Scheiß Bora - und ich bin so froh im Windschatten der Wohnung zu schlafen, in der Sommers vermutlich die Besitzer oder das Personal nächtigen, nach Abfütterung der Teutonenhorden. Da es um 7 Uhr stockfinster ist bleibt nicht viel, als selber um halb 8 der Müdigkeit nachzugeben und mich vom Brausen des Windes in einen unruhigen Schlaf pfeifen zu lassen - … entsprechend wache ich einigermaßen bald aber beunruhigend munter wieder auf. Es ist immer noch stockfinster – ein Blick auf das Handy verrät: Viertel nach 11…. Irgendwie wäre jetzt duschen schon super, aber der Wind tobt über das Meer und vor meinem Terrassen Delux-Aussichtsplatz breitet sich ein Megapanorama-Sternenhimmel aus. So kann ich die verbleibende Nacht das Aufziehen und Untergehen unbekannter Sternbilder bewundern und mich auf mein Frühstück aus Mini-Vanille Croissants der Marke 7-days vorfreuen. Das gibt’s, sobald das Meer im Morgenlicht erst bleigrau und dann silbern zu glänzen beginnt. Böen jagen Schaum und zerstäubtes Wasser vom Ufer weg. Croissants im Windschatten - Dazu gibt’s einen Schluck Wasser aus der Radlflasche, die über Nacht auf knapp 0 Grad runter gekühlt hat.
Einen Kaffee dann in der Kneipe/Bar, die mir gestern noch mein Abendessen verkauft hat – aus dem anliegenden Lebensmittel Depot, mit dem die Zombies der toten Stadt am Leben erhalten werden. Die haben sich schon alle in dem Glasanbau der Bar zusammengefunden, was man von außen allerdings nicht sieht, weil drinnen der Rauch wabert wie bei einem Teppich-Schwelbrand im Seniorenheim. Aber so gefällt es den Kroaten. Atemluft ist was für Weichlinge, die Milch zum Frühstück trinken. So schlappe Gewächse, … die Lunge des Kroaten sei ledrig! Hier raucht wirklich jeder. Ständig. Fieses Kraut, … der Weg zur Bar ist das Äquivalent zu einer Packung Rothändle, aber die Begrüßung herzlich. Where sleep? … Beach - …. Ahhh plgj (vermutlich(?); sprich Plasch, klanglich entspr. frz. „plage“ – und dann konsequent alle Vokale weglassen). Good sleep? (lacht) Koffee? – gerne! Dann fragt er mich, wo ich mich gewaschen hätte. Gestus: eindeutig. Es geht hier nicht um das Waschen des Gesichts. Und ist mir auch zu kompliziert zu erklären – ich werde hier ganz bestimmt keine Pantomime meiner Morgentoilette abliefern. Aber ein sauberer Sack ist offensichtlich mindestens so wichtig, wie lückenlos asphaltierte Atemwege. Ich platziere mich mit meinem Kaffee an der Tür und tröste mich mit dem Gedanken an die Dauerbelüftung für die kommenden 7 Stunden von hier nach Zadar.
Aus Gründen langweilender Redundanz nur ganz kurz: Nein, der Wind lässt nicht nach und er kommt auch nicht von hinten, Ja, es ist trotzdem schön und die Überfahrung der Brücke von Pag ein bisschen feierlich. Pag ist wie der Mond, die Straßen führen immer wieder auf Bergrücken und macht Photos der immer wederkehrenden Motive. Landschaftlich dominiert das Steinmäuerchen, ansonsten Schafe und keine Verkehr. Ab jetzt kommt Stadt auf Stadt: Zadar, Sibenik, Split, Dubrovnik
Pag war meine absolute Lieblingsinsel - drum hier nochmal ein paar Photos von den Bewohnern und der kargen Landschaft. Über den Bergen sieht man Wolken wie Hauben; entspricht vermutlich dem bayerischen Fön - die Linsenwolken sieht man bis weit aufs Meer raus und der Himmel ist saubergepustet und blau. Die Strecke endet in Zadar - am Hafen und man sieht, dass die Leute mit Geld hier ganz fabelhafte Yachten bestzen.
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Norbert (Freitag, 15 Februar 2019 20:37)
Hallo Stefan,
vielen Dank für diesen ausführlichen und spannenden Bericht. Morgen feiern deine zurückgebliebenen Mitbewohner Jan und ich unseren Einstand mit Chili sin Carne und Tiramisu. Ich mach mich schon mal ans Kochen. Weitere Gäste sind ab 18.00 Uhr gerne gesehen.
Dir weiterhin alles Gute - hoffentlich verbessert sich deine Beziehung zu Bora bald.
Liebe Grüße
Norbert
Helga und Helmut (Samstag, 16 Februar 2019 21:19)
Der Wächter auf dem Turme
Blies in sein Messinghorn
Da geriet der Stier im Stalle in FÜRCHTERLICHEN ZORN
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In Scherben liegt die Stadt Paris
in Trümmern liegt der Blumentopf
und eine Beule hat der Stier
an seinem dicken Kopf
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Viel weiter kommt man durch Geduld, durch Klugheit und durch Güte!
Christian (Sonntag, 17 März 2019 09:59)
Mann, ist das spannend. Wenn das nicht mal ein Buch-Knüller wird. Danke!
Alle guten Wünsche weiterhin.