Trient-Bassano, Good bye Alpen!

Die Strecke Trento Bassano kann man sich als Auto- und als Wanderweg in Googlemaps anzeigen lassen – es sind in beiden Varianten etwas über 90 km und erschreckender Weise werden dabei insgesamt 1500 Höhenmeter rauf- und wieder runtergefahren. Entschieden mehr also, als ich auf der Tour bislang gefahren bin sowohl in Hinsicht auf Höhenmeter als auch auf die Strecke. Zum Glück gibt es eine Regionalbahn, die mich im Falle von Entkräftung noch nach Bassano verfrachten könnte. Gleich nach dem Ortsausgang windet sich die Straße in die Berge, überwindet einen Sattel und mündet in einen Tunnel: Unangekündigt! Plötzlich da – keine Umwege, keine irgendwie ausgeschriebenen, beschilderten Abzweiger um den Tunnel per bici zu umgehen. Und die Erfahrungen aus Brixen hallen nach: Keine Tunnels mehr. Also quere ich mutig die Schnellstraße, ignoriere die Hupen und Verwünschungen trienteser Pendler und lasse mich zurückrollen, bis ich eine Gasse finde, die nun in endlosen Serpentinen in die Wolken führt. Und es beginnt zu schneien. Und das Navi korrigiert die Distanz nach oben. Nach 2h Serpentinen habe ich minus 5 Kilometer zurückgelegt - Ein niederschmetterndes Resultat: Es ist jetzt weiter als vor dem ersten Antritt Richtung Bassano. Gleichzeitig öffnen sich zwischen Wolkenfetzen und Nebel immer wieder großartige Blicke: Verfallene Burgen über gefrorenen Bergseen, dustere Wälder, verlassenen Feriendomizile für Superreiche – eingemottet und verlassen wie nach dem Atomkrieg und endlich geht es wieder runter. Zwischen den Wolken schaut jetzt kurz die Sonne durch aber die Finger sind kalt, die Schuhe nass, die Füße Eiszapfen. Das Navi ist besessen von der Idee mich auf die 4 spurige Schellstraße, SS47, zu überreden – kurz gebe ich dem Flehen von Gmaps nach – und bereue sofort. Noch nie war ich Schwertransportern näher und ich müsste nur meine Hand ausstrecken und könnte die Reifen streicheln. Da war meine Tunnel-Tour in Brixen wie mit dem Dreirad um den Sandkasten kurven. Ich konzentriere mich am äußersten rechten Fahrbahnrand stur geradeaus zu fahren und möglichst nicht zu wackeln. Bei der ersten Möglichkeit die Straße zu verlassen ignoriere ich das nölende Handtelefon und suche mein Heil wieder in Serpentinen. In Borgo Valsugano kaufe ich Brot und Käse und bizarre Umwege bewahren mich in den folgenden Wegabschnitte vor der Vorhölle der SS47. Auf einem ungeräumten Radweg ziehe ich Spuren durch frisch gefallenen Schnee, auf der SP60 wähne ich mich auf sicherem Terrain und würde am liebsten bis Bassano auf der Straße weiterstrampeln, doch die Straße endet blind im Wald. Fast zufällig entdecke ich einen Fußweg, der entlang der Brenta Richtung Bassano führt. Das Tal ist inzwischen so eng, dass im Winter den ganzen Tag keine Sonne auf den Boden fällt und entsprechend vereist ist der Weg, aber malerisch. Gerne fahr ich jetzt auch mal im Schritttempo, denn das Tal ist hier so eng, der Weg kurvt so idyllisch neben dem vereisten Bach entlang, die Hänge so steil und das Weglein so abwechslungsreich, dass ich lieber schieben würde, als auf den Highway zurückzukehren. Brücken gibt es allerdings auch keine mehr, einen Weg auf die anderer Flussseite zur Bahnlinie hab ich also nicht. Irgendein unerwarteter Anstieg wäre jetzt ziemlich unwillkommen. Statt unwillkommenem Anstieg aber taucht nach wenigen Kilometern ein urgemütliches verwaistes Gasthaus hinter einer Kurve auf - der Wirt sieht aus, als hätte er seit Monaten keinen Gast mehr gesehen und seitdem in sein Weinglas gestiert. Neben dem Tresen steht ein Flipper, im Gastraum bollert ein gemütlicher Bollerofen auf dem ich Schuhe Handschuhe Socken Mütze und mich trockne und aufwärme… Stört keinen, ich bin der einzige Gast. Der Wirt bringt mir Tee, hätte aber auch Augustiner. Meine Münchner Herkunft bricht das Eis und wir loben die unerreichte Qualität bayerischer Braukunst im Allgemeinen und des Münchner Augustiners im Speziellen. Nur trinken will ich keines, sonst schlafe ich ein neben diesem ach so herrlichen Ofen. Und dann sind die Socken warm, die Handschuhe trocken, die Schuhe und ich wiederhergestellt, um die letzten 25km nach Bassano zu schaffen. Das Wirtshaus markiert das Ende des Fusswegs, er setzt sich fort als kleine, geräumte und trockene Straße auf der ich die letzten Dörfer anfahre, jedes ein bisschen größer, weniger karg und bergbäuerlicher als das vorhergehende und mit dem Einsetzen der Dämmerung passiere ich die Stadtgrenze von Bassano, Googlemaps begleitet mich mit hilfreichen Hinweisen zu meinem Ostello… Bassano. Und jetzt merke ich auch wie kaputt ich bin. Den nächsten Tag nehme ich mir frei, schau mir Bassano an und weil das Ostello so ein lustiger Ort ist, bekommt es sein eigenes kleines Kapitel.

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Max (Montag, 28 Januar 2019 09:19)

    Hi Stef, aus meiner totalen Bewegungslosigkeit heraus folge ich Kilometer für Kilometer. Lustig das es sich stellenweise genauso anhört wie eine von mir versuchte zu-Fuß-Alpenüberquerung irgendwann in den späten 80ern - nur das diese Strecke für Dich schlicht den Auftakt darstellt.
    Alle Glückssterne auf den mäandernden Pfaden -und ich freu mich schon auf die nächsten Blogeinträge.