Countdown - 6 Wochen

Zum ersten Mal über meinen Plan gesprochen habe ich Ende März 2018 – quasi als ersten Akt der Realisierung. (ich weiß das Datum noch genau: Mit einer Schul(!)-Freundin war ich auf dem Weg zum Grab einer Mitschülerin, die sehr jung starb und an diesem Tag 50 Jahre alt geworden wäre) Wenn man seine Mitmenschen einweiht, ist es schwieriger einen Rückzieher zu machen, dachte ich.

 

Die Idee befiel mich nur wenige Wochen vorher. Und ich war so begeistert von der Idee und komplett euphorisch. So habe ich mich durch die Foren gelesen – und es sind ein ganzer Haufen Leute, die etwas Ähnliches machen oder gemacht haben: Ich habe Bücher gekauft („Velotraumreise“ und „Zwei nach Shanghai“), Reiseführer und Karten. Für Tage habe ich mich in 80km Schritten auf Googlemaps über die Alpen und den Balkan nach Griechenland und die Türkei gelotst, bin in Georgien hängen geblieben und in Armenien virtuell auf Berge gestiegen, habe eine komplette Schwachsinnsroute durch den Iran gelegt und mich eines Besseren besonnen bis zum Pamir Highway in Zentralasien bis Kashgar…. Und dann durch dieses riesenhafte China…

 

Parallel wollte ich mich um Sponsoren bemühen und hab lange an einer Broschüre herumgedoktert, die dann doch wenige Firmen zu lesen bekommen haben und die noch weniger Unternehmen überzeugen konnte.

 

Dann wurde ich  - auch ein wichtiger Teil der Vorbereitung – Couchsurfer, bzw „Couchsurfer-Host“. Denn, so dachte ich, auch ich werde auf meiner Reise gerne mal zu Gast sein – eine Dusche, ein Bett und etwas Besseres als das Essen nach dem Baukastenprinzip einer Camping-Minimalausrüstung: Nudeln!  It is a give and take – dachte ich und hatte in der Folgezeit Gäste unter anderem aus Spanien und den USA, Georgien, Serbien, Armenien, der Türkei, Brasilien, Großbritannien, Russland, dem Iran, Mexiko und Hessen! In fast allen Fällen eine bereichernde Erfahrung und an sich ein tolles Konzept. Das Portal „Warmshowers“ habe ich viel zu spät entdeckt – aber DAS ist es glaub ich! Von Radfahrern für Radfahrer.

 

Das Fahrrad musste konzipiert werden: Stahl oder Alu? Scheibe oder Felgenbremse? 26 oder 27,5 Zoll? Federgabel? Rohloff-Nabenschaltung? (und das wurde es: Stahl, Felge, 26, ungefedert und Kettenschaltung – und absolute Mega-Laufräder!)

 

Eine Web-Adresse musste her: Ein Blog, ein Instagram Account – zusammengeführt auf einer Homepage. Links zu meinen Sponsoren, eine Karte und ein GPS-Tracking. Bilder! All sowas

 

Dann die ganze Ausrüstung – zumindest auf dem Papier wollte ich wissen was alles mit soll: Zum Zelten und Campen, zum Radeln, zum Schirmfliegen. Werkzeug! Medizin! Kameras! GPS! Ein Laptop – wer soll das eigentlich alles schleppen?

 

Impfungen, Versicherungen, ein zweiter Pass um das Visa-Lotto durch Iran, die „-Istans“ und China zu bestehen.

 

Die Wohnung in München musste zwischen- und untervermietet werden.

 

Alles erschien kompliziert – das meiste war´s tatsächlich. Gerade für digital jungfräulich Gebliebene ist selbst das Lego-Prinzip einer Jimdo Seite nicht trivial. Und mein Instagram Account hat sagenhafte 9 Follower.  Leider zu Recht! Viel Spannendes gibt’s da noch nicht zu sehen. Einen Zweitpass zu beantragen erschien eine unüberwindbare Hürde (war es dann aber ´gar nicht – ich verrate gerne wie das geht!). Alleine die Wohnung zu vermieten: eine schöne, zentrale Wohnung, 120qm.  An zwei Nachmieter, kleines Geld und günstige Verbindung zu den Öffis. Ruhig und mit dem Rad in 15 Minuten in der Innenstadt. Und so dachte ich: „Eine Annonce und du kannst Dir die angenehmsten, sympathischsten und interessantesten Mitbürger Münchens aussuchen“. Wohnungsnot, Mietirrsinn, Schlangestehen bei Besichtigungen,  - so ist das doch, oder? Hallo? München???

 

Die Suche nach zwei Mitbewohnern stellte sich als die bislang ernüchterndste Erfahrung dar, die mit Abstand am meisten frustrierende und nervtötende Facette meiner Vorbereitungen. Die Vorstellung in die Wohnung eines 50-Jährigen zu ziehen muss in den Ohren der Wohnungssuchenden ähnlich attraktiv klingen wie der vorzeitige Einzug ins Altersheim.  Hört man den mittleren Ring? Ist es nicht doch ein bisschen ab vom Schuss? Ist der Weg zur U Bahn nicht doch ein bisschen unattraktiv? Die Liste aller fester Zusagen und glühenden Versprechen auf alle Fälle innerhalb der nächsten 3 Tagen zu melden um dann „alles klar zu machen“ ist lang – needless to say haben sich die allerwenigsten je nochmal gemeldet.

 

Nun endlich schien auch das Problem gelöst – und vielleicht hat sich das Warten ja gelohnt (dachte ich) – Jan und Andres werden jetzt in der Wohnung bleiben (dachte ich), bis ich wieder zurück bin und vielleicht noch länger. Aber während ich das hier schreibe ruft mich Andres an – mein so sicher geglaubter kolumbianischer Mitbewohner, der an sich just jetzt (!) den Mietvertrag unterschreiben sollte. Es täte ihm leid (sagt er), denn er hätte schlechte Neuigkeiten für mich – aber er wünschte mir eine schöne Reise. Die Wohnung sei zu teuer, er könne es sich nun doch nicht leisten, sagt er ….

 

Jetzt also weiter Nachmieter suchen. Und wenn ich mir ansehe, was ich sonst noch alles machen muss, denke ich mir schon: Was in Gottes Namen hast Du die letzten 6 Monate getan? So irgendwas um die 6 Wochen habe ich noch. Aber der Countdown läuft! Spürbar!  Obwohl ich über immer mehr Punkte meiner endlosen To-do-Liste ein grünes Hackerl setzen kann werden das anstrengende 6 Wochen.

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Ralf (Dienstag, 22 Januar 2019 11:40)

    Weiter so,
    durchhalten.
    ;-)